Bernd Czechner
Kleine Zeitung – 20. Jänner 1999
Ausstellung „Bilder – Skulpturen“
Künstlerhaus Klagenfurt
Mit Bildern und Skulpturen zum Menschenbild gestaltete Karl Schüler das Künstlerhaus als Schädelstätte.
Ausgeformt aus Lehm, Steinzeug, Terrakotta, rohgebrannt oder poliert, auch glaciert oder in Bronze gegossen, liegen oder stehen sie auf oder in ihren individuell gestalteten Podesten. Der 58jährige Wolfsberger Maler, Bildhauer und Objektkünstler Karl Schüßler hat sich seinen Adam aus Erde geformt, hat die Legende von Golgatha, nach der die Form dieses Hügels mit dem Schädel Adams in Beziehung gebracht wurde, als ureigene Metapher für Sein und Gewesensein, für die Unentwirrbarkeit von Zukunft und Vergangenheit angenommen.
Er geht von einer Grundform aus, von einer grundsätzlich immer ähnlichen Physiognomie, gibt jeder das ihre an Form als Geschichte. Reißt die Hohlkörper auf, sticht in sie hinein, kratzt, schneidet Schründe in die mehr und mehr an Gesicht verlierenden Schädel, bis die Verstümmelung ein Antlitz gebiert, das von unserer Welt ist.
Schön eigentlich, aber grauslich, erbarmungswürdig und brüderlich, als Kunst gesegnetes Entsetzten.
Vor dem Künstlerhaus und im Foyer ragen Plexitürmen in eine teils durch Spiegel bewirkte beidseitige Unendlichkeit – nach oben und hinunter.
Karl Schüßler stellt seinen sinnlich haptischen Handformungen eine kühl wirkende konstruierte Form gegenüber. Ästhetisch-technische Zeitstücke – unversehrt und scheinbar dauerhaft – Triumphstelen gegen die Vergänglichkeit des schöpferischen Tieres. In seinen malerischen Arbeiten ist Karl Schüßler dichter geworden.
Auch hier manifestiert sich seine Obsession, die ihn seit Jahren leitet, malt er seinen Schädeln das Fleisch von den Knochen, übt die Ästhetik des Kadavers, als ein anderes Menschenbild, entleibt mehr und mehr, aber beseelt durch sein tun. Er ist behutsamer geworden während des Malakts, hat sich von Bild zu Bild mehr Zeit gegeben, Zeit, die er Katastrophalerweise als neue Erfahrung gewonnen hat.
Sein malerisches Werk – und das ist im Vergleich mit früheren Arbeiten überprüfbar – hat die große Geste zurückgelassen, hat sich – ohne das Detail zu strapazieren – vertieft in seinem Grund und nimmt die neugewonnene Grundtiefe auf als Wesentlichkeit, mit der er Schädel und Figuren beseelt.
Nach wie vor bestechen Kraft und Dynamik, Ausdruck und Eindruck – doch ist zur Malerei etwas hinzugewachsen, das nur ganz besondere Bilder auszeichnet – eine Erfahrung, die ganz tief auf dem Grunde des Lebens war, und die er zurückmitgebracht hat in die seichten Gefilde des Alltags.
Bernd Czechner